Ein hörgeschädigtes Kind ist kein Kind, das nicht hören kann, sondern eines, das dabei ist, hören zu lernen.

– Morag Clark 1989 –

Informationen für Familien

Alle Eltern wünschen sich ein gesundes Kind, sie malen Zukunftspläne, stellen sich vor, wie es wächst und gedeiht, wie sie mit ihm reden, ihm die Welt erklären, seine Fragen beantworten, ihm vorlesen, mit ihm spielen …

Doch was tun, wenn plötzlich die Diagnose „Hörschädigung“ gestellt wird? Nach einer offenen, umfassenden Beratung über alle therapeutischen Ansätze liegt es einzig und allein bei der Familie, sich für einen therapeutischen Ansatz zu entscheiden.

Eltern fühlen sich oftmals hilflos und überfordert, wenn sie mit der Hörbeeinträchtigung  ihres Kindes konfrontiert werden. Sie werden häufig allein gelassen und fühlen sich unfähig, dieser neuen Aufgabe gerecht zu werden.

Sie sollten aber eines wissen: Fast alle als hochgradig hörgeschädigt diagnostizierte Kinder können mit Hilfe von gut angepassten Hörgeräten oder mit Hilfe eines Cochlear Implantats, der entsprechenden Frühförderung durch geschulte Fachleute und dem Einsatz der Eltern Hören und Sprechen lernen. Eltern, die sich für ihre Kinder für die Gebärdensprache als Kommunikationsmittel entscheiden, können hierüber eine gleichwertige Teilhabe an der Gesellschaft erreichen.

Kinder mit besonderen Bedürfnissen

Auch Kinder die durch zusätzliche und komplexere Beeinträchtigungen einen schwereren Start ins Leben haben, können in außerordentlicher Art und Weise von Auditiv-Verbaler Begleitung profitieren. Die Auditiv-Verbale Therapie wird bei diesen Familien modifiziert und erweitert. Ziele, Techniken und Strategien werden den jeweiligen körperlichen und geistigen Bedürfnissen und Möglichkeiten der Kinder angepasst.

Allgemeine Informationen

Diagnostik von Hörschädigungen (HS)

Ohne ein Neugeborenen-Hörscreening werden kindliche Hörstörungen oftmals zu spät erkannt. Sie fallen meist erst dann auf, wenn die Kinder auf Geräusche in ihrer Umgebung nicht reagieren oder sie weniger und schlechter sprechen als Gleichaltrige. Entscheidend für einen optimalen Start in die Sprachentwicklung ist aber die frühe Erkennung von Hörstörungen. Nur so können eine gezielte Förderung der betroffenen Kinder eingeleitet und die Eltern auf ihre besonderen Aufgaben vorbereitet werden.

Untersuchungsablauf

 

Verdacht auf Hörschädigung

Da aber nicht alle Hörschädigungen angeboren sind bzw. sofort erkannt werden, sollten Sie auf folgende „Signale“ achten:

  • Ihr Kind reagiert nicht auf seinen Namen.
  • Ihr Kind erfüllt auch kleine, einfache Aufgaben nicht, reagiert aber auf ein gebärdetes „Komm her“.
  • Ihr Kind erschrickt nicht bei lauten, unerwarteten Geräuschen.
    Ihr Kind hält extremen Blickkontakt, wenn mit ihm gesprochen oder gespielt wird.
  • Ihr Kind verfällt in große Unruhe und Unsicherheit in unvertrauter Umgebung, z.B. beim Verlassen der Wohnung.
  • Ihr Kind erschrickt bei Berührung, da es das Herankommen der Person nicht bemerkt.
  • Ihr Kind spielt versunken weiter, auch wenn es klingelt oder hinter ihm eine Person zur Tür hereinkommt.

Besondere Vorsicht ist außerdem geboten bei

  • häufigen Mittelohrentzündungen
  • Mengingitis
  • verzögertem Spracherwerb
  • „verwaschener“ Aussprache
  • rastlosem „Spielen“
  • Verhaltensauffälligkeiten

Eine exakte Aussage zum Hörvermögen eines Kindes ist in jedem Lebensalter möglich, wobei die Diagnostik viel mehr Zeit und Erfahrung als bei Erwachsenen benötigt. Die Kombination aus subjektiven, altersentsprechenden Methoden und objektiven Verfahren führt dabei zum größten Erfolg.

Bei objektiven Hörprüfungen wird keine aktive Mitarbeit des Kindes benötigt. Stattdessen werden unwillkürliche physiologische Reaktionen von Muskulatur, Rezeptoren und ZNS (Zentralnervensystem) auf akustische Reizung gemessen. Zu den objektiven Hörprüfverfahren gehören:

  • Tympanometrie
  • Stapediusreflexmessung
  • Otoakustische Emissionen (OAE)
  • Neugeborenenscreening (AABR)
  • Hirnstammaudiometrie (BERA)
  • stationäre auditorisch evozierte
  • Potentiale (ASSR)
  • Knochenleitungs-BERA bei Schallleitungsstörungen

Besonderheiten bei der Durchführung objektiver Hörtests:

Bei der Auswertung der Ergebnisse spielen die Erfahrungswerte des Untersuchers eine Rolle. Es sind nur Aussagen im Hauptsprachbereich von 500 Hz bis 4 kHz möglich und keine vollständige Messung der Hörschwelle. Außerdem ist es nötig, dass das Kind ruhig ist, eventuell ist eine Sedierung / Narkose notwendig.

Subjektive / Verhaltensorientierte Tests zur Hörprüfung

  • Reaktionsaudiometrie
  • Spielaudiometrie
  • Verhaltensaudiometrie

Bei älteren Kindern:

  • Tonaudiometrie
  • Sprachaudiometrie
  • Mainzer und Göttinger Sprachtest, Oldenburger Kinder-Reimtest,
  • Freiburger Wörtertest

Besonderheiten bei der Durchführung subjektiver Hörtests:

Die Aufgabenstellung wird eventuell nicht verstanden. Die Methodenauswahl ist stark entwicklungsabhängig, dabei können das biologische Alter und das Entwicklungsalter differieren. Aufmerksamkeit und Konzentration sind bei Kindern ohnehin deutlich begrenzt, außerdem spielen die Tagesform, das momentane Interesse des Kindes, die Vertrautheit mit den Untersuchungs-Räumen und ein möglicher Zeitdruck des Untersuchers eine große Rolle.

Diagnostik bei Kindern im Alter von 0 bis 2 Jahren

  • Verhaltens- und Beobachtungsaudiometrie
  • Tympanometrie (ab 1Jahr mit 226 Hz vorher 1 kHz)
  • OAE
  • Falls Auffälligkeiten vorliegen BERA (Klick und Notched Noise, Chirp)
  • ASSR

Diagnostik bei Kindern im Alter von 3 bis 6 Jahren

  • Spielaudiometrie (bevorzugte Frequenz 500 Hz,1 kHz,2 kHz und
    4 kHz)
  • Sprachaudiometrie (Mainzer und Göttinger Kindertest)
  • Tympanometrie, Reflexaudiometrie
  • Weber-Versuch / Rinne-Versuch
  • OAE
  • bei Auffälligkeiten BERA (Klick und Notched Noise, Chirp)
  • ASSR
Technische Versorgung von Hörschädigungen bei Kindern

Das Ziel der technischen Versorgung einer Hörschädigung ist, den Schall so zu verstärken, dass ein Sprachverständnis möglich ist. Je nach Art und Stärke des Hörverlustes ist die Versorgung mit einem Hörgerät oder Cochlea Implantat (CI) angezeigt. Beiden ist jedoch gemeinsam, dass im Unterschied z.B. zu einer Brillenanpassung, die technische Einstellung schrittweise erfolgt und das Verarbeiten der ankommenden „Geräusche“ erst erlernt werden muss. Ein Brillenträger sieht sofort besser, wenn er die Brille aufsetzt, die Verarbeitung von akustischen Signalen, die durch die Hörhilfen verstärkt werden, ist dagegen ein Lernprozess.

Hinter-dem-Ohr-Geräte (HdO)

Am häufigsten kommen die sogenannten Hinter-dem-Ohr-Geräte (HdO) zum Einsatz, denn das Ohr des Kindes wächst permanent. Bei einem HdO muss nur der Ohrstöpsel (Otoplastik) neu angepasst werden, während die Technik, die sich im Bereich hinter dem Ohr befindet, nicht ausgewechselt werden muss. Farbige Gehäuse sowie bunte Ohrpassstücke erleichtern Kindern die Eingewöhnung.

Cochlea Implantat (CI)

Hochgradig schwerhörige und gehörlose Kindern, denen herkömmliche Hörgeräte wenig oder gar keinen Nutzen mehr bringen, können mit einem Cochlea Implantat versorgt werden. CIs wandeln Schall in elektrische Impulse um, durch die der Hörnerv in der Hörschnecke stimuliert wird. So können Sprache und Töne wieder wahrgenommen werden. Ein CI besteht aus zwei Teilen: dem Implantat, das hinter dem Ohr unter die Haut implantiert wird, und dem Sprachprozessor (SP) mit Sendespule, der wie ein Hörgerät hinter dem Ohr getragen wird.

FM-Anlagen

In manchen Situationen mit lauten Umgebungsgeräuschen ist es trotz Hörgerät/Cochlea Implantat schwer, die Sprache deutlich zu verstehen. Hier bietet sich der Einsatz einer sogenannten FM-Anlage (Frequenz-Modulationsanlage) an. Sie besteht aus mindestens einem Mikrofon (dem Sender) und dem an das Hörsystem angebrachten Empfänger. Der Vorteil ist die direkte Übertragung von Sprache ohne die störenden Nebengeräusche. Besonders im Kindergarten, in der Schule und später im Beruf werden FM-Systeme häufig verwendet.

Was kann die Technik für den Spracherwerb leisten?

Mit der heutigen Technologie haben Kinder mit Hörbeeinträchtigung unter bestimmten Voraussetzungen eine sehr gute Möglichkeit, das HÖREN zum Erlernen der Lautsprache zu nutzen.

Damit ein Kind das Hören zum Lernen nutzen kann, muss es in der Lage sein, sowohl normale als auch leise Sprache in verschiedenen Hörumgebungen zu verstehen.

Das zu ermöglichen, ist eine große Aufgabe für Audiologen, Ingenieure und Therapeuten.

Der gelbe Bereich, die sogenannte Sprachbanane, repräsentiert die Sprachlaute im Verhältnis von Lautstärke und Tonhöhe ca. im Abstand von 1 Meter Entfernung.

 

Wenn die Schwellenwerte mit technischer Versorgung bei etwa 35-40 dB HL liegen, hört das Kind zwar in dem beschriebenen Bereich, aber es fehlen zu viele Laute zum perfekten Verstehen.

Unser Ziel ist, dass Kinder JEDEN Laut der Sprache, welche sie lernen, hören können. Die Ling-Laute (a, i, u, m, sch, s) – getestet in verschiedenen Entfernungen – sind dabei nur eine Orientierung!

Die ermittelte Hör-Kurve soll also ganz oben über der „Sprachbanane“ verlaufen Dieser grüne Bereich im Bild wird auch „Sprach-Bohne“ genannt.

Um das Hörvermögen einzuschätzen zu können muss getestet werden, welche Laute und Lautverbindungen die entsprechenden Regionen im Gehirn trotz Hörbeeinträchtigung in guter Qualität erreichen und dort verarbeitet werden können.

  • Links und rechts getrennt
  • In verschiedenen Entfernungen

Hört das Kind aktuell nicht gut, muss die Einstellung überprüft, müssen neue Hörgeräte probiert bzw. ein Cochlea-Implantat in Betracht gezogen werden.

Was muss die Technik leisten, damit die Kinder einen angemessenen akustischen Zugang erhalten?

  • Das Kind muss in ALLEN Frequenzbereichen (auch 6000 Hz und 8000 Hz) hören. Fehlende hohe Frequenzen führen zu schlechtem Verstehen von grammatischen Merkmalen.
  • Das Kind muss auch leise Gesprochenes (30-35 dB HL) ausreichend verstehen.

Literaturempfehlungen

Mit einem Klick auf den Button, können Sie sich die Literaturliste alsPDF-Datei herunterladen:

Was Eltern über die Erfolge der Therapie sagen

Eltern berichten, wie die AV-Therapie ihren Alltag positiv verändert hat und sich ihre Kinder in einer aufs Hören fokussierten Umgebung entwickeln. Hier finden Sie die Elternstimmen.

Statements (PDF)

Hilfreiche Tipps für den Alltag

Wie können Familien die Strategien der AV-Therapie im Alltag umsetzen? Welche Techniken können Eltern anwenden, um ihr Kind zu unterstützen? Hier finden Sie die Tipps und Anregungen.

Erlebnisbücher selbst gemacht (PDF)

45 Millionen Wörter bis zum Alter von 5 Jahren

Hören, Hören, Hören – das ist das wichtigste Prinzip für die Kinder in den ersten Lebensjahren. Der Mensch hört mit dem Gehirn. Hier ein paar aufschlussreiche Fakten über Kinder und die Abläufe der Hörwahrnehmung. Kinder benötigen rund 45 Millionen Wörter bis zum Alter von 5 Jahren.

Hören und Wahrnehmung (PDF)